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Der Bio-Schwindel / Max (Titelgeschichte, 14 Seiten) / 2001

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Der Bio-Schwindel
Bei kaum einem Thema sind die Deutschen so sensibel wie bei Lebensmitteln. Immer mehr greifen zu Produkten mit dem Stempel "bio" und zahlen gern den höheren Preis. Vor allem, wenn es um ihre Babys geht. Deshalb vertrauen die meisten Mütter Claus Hipp. Der bürgt wie kein anderer dafür, dass alle Bananen in seinem Gläschen "bio" sind. Ein Versprechen, das er nicht halten kann.
Foto: Agentur
Claus Hipp, 62, ist der Mann, dem die Frauen vertrauen. Vor allem Mütter, die für ihre Babys nur das Beste wollen. Wenn sie ihren Kleinen den ersten Löffel Bananenbrei ihres Lebens in den Mund schieben, ist es meist "Bio-Banane" von Hipp. Kein Wunder. Schließlich steht auf jedem Gläschen: "Kein Einsatz von chemisch-synthetischen Spritzmitteln." Und dann prangt da noch das weißblaue Siegel: "Bio-Früchte. Dafür bürge ich. Claus Hipp." Da zahlt man gern ein bisschen mehr.
Keine Frage, Claus Hipp hat einen guten Namen. Seit über 40 Jahren hat er sich dem organisch-biologischen Anbau von Obst, Gemüse und Getreide verschrieben. Er meint es ehrlich. Doch mit dem Versprechen, dass alle Bio-Bananen wirklich "bio" sind, hat er sich offenkundig übernommen. Denn Experten bestreiten, dass
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Bananen völlig ohne chemische Spritzmittel überhaupt angebaut werden können. Und in Costa Rica, wo die Bananen für Hipp herkommen, herrschen augenscheinlich Zustände, die eine lückenlose Kontrolle unmöglich machen.
Wer es sich leisten kann, isst nicht alles, was ihm serviert wird. Spätestens, seit BSE und Schweinepest allgegenwärtig sind, kauft derjenige, der sich und seiner Familie etwas Gutes tun will, Bio-Produkte ein. Die sind zwar teuer, geben aber ein gutes Gefühl. Der Trend lässt die Kassen klingeln, und so ist es kein Wunder, dass die Lebensmittelproduzenten mit inzwischen mehr als 100 Bio- und Öko-Siegeln die Kunden locken. Da wird mal mehr, mal weniger geschwindelt. Selbst bei Produkten, die nach der europäischen EG-Bio-Verordnung hergestellt werden, kann niemand wirklich garantieren, dass sie nicht mit chemisch-synthetischen Spritzmitteln behandelt oder mit Dünger aufgepeppt worden sind. Denn die Kontrollen sind nicht so streng, wie es der höhere Preis verspricht. Ein Musterbeispiel dafür ist der krumme Weg, auf dem die "Bio-Banane" zu uns kommt.
Costa Rica – ein unübersichtliches Land, 10 000 Kilometer entfernt vom Hipp-Firmensitz im bayrischen Pfaffenhofen. 40 000 Menschen leben hier vom Bananenanbau. Mit 48 000 Hektar Plantagen, einer Fläche gut halb so groß wie Berlin, ist Costa Rica nach Ecuador der zweitgrößte Bananenproduzent der Welt. Sie kommen bei uns unter Markennamen wie Chiquita, Dole oder Del Monte in den Supermarkt. Sie
müssen schön groß sein, gut schmecken und vor allem gut aussehen. Sonst kauft sie keiner.
Bananen – ein schwieriges Produkt: Bedroht von Pilzen und Würmern, die im tropischen Klima üblicherweise mit chemisch-synthetischen Spritzmitteln bekämpft werden. Das hat die Bananen-Multis in Verruf gebracht, die Giftmengen wurden reduziert. Mit Umweltprogrammen und der Vergabe einer Unzahl von Prüfsiegeln wie Eco-OK und Better Bananas versuchen die Produzenten nachzuweisen, dass sie sich bemühen, mit immer weniger Chemie immer mehr Bananen herzustellen. Doch ganz ohne, sagt Uwe Meier, Experte für Agrarethik bei der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Braunschweig, sind Bananen nicht für den Export nach Europa herzustellen: "Der regelmäßige Gifteinsatz ist völlig normal und Standard."
Da hatte Claus Hipp, seit mehr als 40 Jahren Vorkämpfer für biologisch-ökologische Landwirtschaft, 1993 eine Idee: Man könnte auf die Exportbananen der Multis verzichten und direkt in Costa Rica Bauern suchen, die bereit sind, auf chemisch-synthetische Spritzmittel zu verzichten. Da hätte man doch eine richtige "Bio-Banane".
Seit 1994 holt sich Hipp seine "Bio-Bananen" direkt bei ausgewählten kleineren Plantagen und Fincas. Ein Riesenerfolg. Tonnenweise gehen sie in Produkten wie "Bio-Banane", "Pfirsich-Banane", "Banane mit Zwieback" oder "Apfel-Bananen-Müsli" über den Ladentisch. Alles ist
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"bio" sagt Claus Hipp und steht dafür mit seinem guten Namen gerade. Er will sogar strenger sein, als es die "EG-Bio-Verordnung" verlangt. Denn während nach europäischen Regeln sogar der Einsatz von Spritzgiften unter bestimmten Umständen gestattet ist, verspricht Hipp auf jedem Gläschen: "Kein Einsatz von chemisch-synthetischen Spritzmitteln." Und versichert in seinem neuesten Werbespot: "Wir kontrollieren bis ins kleinste Detail."
Dafür muss sich Hipp, der nach eigenen Aussagen erst einmal in Costa Rica war, auf sehr viele Menschen verlassen, auch wenn er ein aus seiner Sicht engmaschiges Kontrollnetz gespannt hat: Seine "Bio-Bananen" werden in Costa Rica von der Firma Trobanex aufgelauft und dort zu Bananenmus verarbeitet. Die Trobanex hat ihren Geschäftssitz in Alajuela unweit der Hauptstadt San José. Inhaber ist Stefan Hipp, 33. Der arbeitet in Pfaffenhofen.
Dass die von Trobanex eingekauften Bananen wirklich "bio" sind, kontrolliert und zertifiziert die BCS Öko-Garantie GmbH. BCS, so die offizielle Lesart, inspiziert die Bananen-Fincas und Plantagen und überwacht den gesamten Produktionsablauf. Die Firma sitzt in Nürnberg und ist als private Kontrollstelle im ökologischen Landbau gemäß der europäischen "Verordnung (EWG) Nr. 2092/91" zugelassen. Der BCS Öko-Garantie wurde die Code-Nummer DE-001-Öko-Kontrollstelle zugeteilt, die sich auf jedem Bananengläschen von Hipp in Deutschland wiederfindet.
Eine lückenlose Kontrolle – auf dem Papier. Im wirklichen Leben ist es
ein bisschen anders. Denn Trobanex hat zurzeit nach Angaben von Geschäftsführer Mario Graf Beissel mehr als 1300 Bananen-Lieferanten in Costa Rica unter Vertrag. Bis zum Februar vergangenen Jahres waren es sogar rund 2000 – Kleinbauern und Indianer, vornehmlich in den drei großen Anbaugebieten Talamanca, Bordon und Tucurrique. Jeder einzelne Bananen-Produzent wird von "BCS Ökogarantie GmbH" geprüft und zertifiziert. Zertifizierte Bauern dürfen alle zwei Wochen eine ihrer Anbaufläche entsprechende Menge Bananen an Trobanex liefern, für etwa 30 Colónes (20 Pfennig) das Kilo. Die Früchte werden mit dem Lastwagen abgeholt, Trobanex hat dafür zwölf "Camineros" unter Vetrag genommen. Die Bananen reifen noch zwei Wochen bei San José in Holzkisten, werden dann bei der externen Firma "Florida Products" in San José zu Mus verarbeitet und in Containern nach Deutschland verschifft. Das Problem: BCS, die als "DE-001-Öko-Kontrollstelle" auf Millionen Hipp-Gläschen prangt, hat in Costa Rica nur einen festen Mitarbeiter.

Daher werden die einmal jährlich bei den 1300 "Bio-Bananen"-Bauern vorgeschriebenen Kontrollen nicht von BCS, sondern von denen durchgeführt, die kontrolliert werden sollen: 13 Trobanex-Mitarbeiter füllen Formulare der BCS aus. Das ist so ähnlich, als würde man sich die TÜV-Plakette selbst an sein Auto kleben und das "interne Kontrolle" nennen. BCS kontrolliert hier nur, ob die Formulare korrekt ausgefüllt sind.
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Tatsächlich von BCS kontrolliert werden, so Peter Grosch, "stichprobenartig" 20 bis 25 Prozent der "Bio-Bananen"-Bauern. Mehr verlangt auch die europäische Verordnung nicht, wenn eine "interne Kontrolle" stattfindet. Diese Stichproben werden vom BCS-Mann in Costa Rica, vom Geschäftsführer Grosch (Nürnberg) und drei weiteren BCS-Mitarbeitern aus Guatemala durchgeführt, wie Grosch sagt.
Der BCS-Inspektor in Costa Rica ist Bernal Gutiérrez, 46. Blass, mit sorgenvoller Miene und hängenden Schultern sitzt er im "Grand Hotel Costa Rica" in der Hauptstadt San José. Er ist seit 1995 für die Prüfung der Trobanex-Biobauern zuständig und sieht seine Aufgabe mittlerweile als "unlösbare Last". Denn er muss nicht nur in Costa Rica überprüfen, ob alles "bio" ist, er muss auch immer wieder für BCS nach Kuba, Guatemala und Panama reisen, klagt er. Die Zertifizierungen der Trobanex-Lieferanten sind jedes Jahr im Herbst fällig, erklärt Gutiérrez. Das sei eigentlich nur ein formeller Akt: Stempel, Unterschrift – fertig. "Weil Trobanex zumindest auf dem Papier ein internes Kontrollsystem hat, muss ich nicht jedes Jahr jeden Bauern besuchen", sagt Gutiérrez.
Da kann es vorkommen, dass Trobanex-Lieferanten zwei, drei Jahre lang zwar als Biobauern zertifiziert sind, jedoch nicht von BCS kontrolliert werden. "Das ist die Praxis", sagt Gutiérrez, der im Durchschnitt bei etwa jedem sechsten Bio-Bauern, den er für Hipp unter die Lupe nimmt, etwas Verbotenes findet: "Die meisten spritzen
Chemikalien. Einige düngen oder verkaufen von Feldern, die gar nicht für den Bio-Anbau freigegeben sind. Andere liefern mehr ab, als sie dürfen." Seine Informationen sammelt Gutiérrez bei unangekündigten Besuchen auf den Fincas. Dort schaut er, wie Unkraut bekämpft wird, sucht nach Chemikalien, befragt Nachbarn und Händler von Pflanzenschutzmitteln. Manchmal nimmt er auch Bananen und Bodenproben zur Analyse mit.

Gutiérrez hätte nichts sagen sollen. Seine Aussagen haben Hipp so alamiert, dass MAX am 2. September, einem Sonntagnachmittag, zum Krisengipfel in Pfaffenhofen empfangen wurde. Bei Mineralwasser aus dem eigenen Brunnen und Pumuckl-Keksen waren alle angetreten, die vielleicht Lecks stopfen könnten, aus denen Informationen zu MAX gesickert waren: Claus Hipp mit zwei Firmenmanagern, der aus Costa Rica eingeflogene Trobanex-Chef Mario Graf Beissel und der als unabhängig bezeichnete BCS-Geschäftsführer Peter Grosch. Nicht ganz ohne Stolz wurde erwähnt, Gutiérrez habe seinem Chef Grosch mittlerweile eidesstattlich versichert, er habe nie mit MAX gesprochen. Hat er doch: Zweimal, am 12. 8. 2001 und am 18. 8. 2001 traf er sich zu mehrstündigen Gesprächen mit MAX. Zuerst im "Grand Hotel Costa Rica" in San José, beim zweiten Termin in einem Café im Vorort Alajuela. Mit dem MAX-Reporter dabei: ein deutscher Dolmetscher, der bei costaricanischen Gerichten zugelassen ist. Von diesem nach der von Hipp ins Feld geführten eidesstattlichen Versicherung gefragt,
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antwortete Gutiérrez, man habe ihm mit Rauswurf gedroht, da habe er keine andere Wahl gehabt. Es gibt außer dem gesprochenen und gebrochenen auch das geschriebene Wort, das belegt, wie unzuverlässig die Produktion von Bio-Bananen ist: Inspektionsberichte, die MAX vorliegen. 1998 kontrollierte Gutiérrez 186 Betriebe, 26 von ihnen wurden von der weiteren Produktion von Bio-Bananen ausgeschlossen. 1999 wurden von 74 kontrollierten Plantagen 23 ausgeschlossen.
Im Jahr 2000 verloren 29 von 158 Betrieben ihr Bio-Zertifikat. Das bedeutet: Diese Bauern dürfen drei Jahre lang keine Bananen mehr an Trobanex liefern. Allerdings sind die Früchte, die vor der Kontrolle verkauft wurden, bei der suche aufgefallen sind, längst zu "Bio-Banane"-Brei verarbeitet. Und in Deutschland längst gegessen.

Auch beim besten Willen, sagte Gutiérrez – als er noch nicht zum Schweigen gebracht worden war – können nicht alle Bananen, die Trobanex aufkauft, garantiert "bio" sein: "Vielleicht 60, 70 Prozent" sind es, sagt er, weil nicht genug Kontrollpersonal da sei. Das ist für costaricanische Verhältnisse viel, aber nicht so viel, wie Hipp verspricht. Ein 70-Prozent-Bio-Anteil im Produkt genügt auch nicht der EU-Ökoverordnung, wenn er nicht auf dem Etikett angegeben wird.
Nahe der Stadt Turrialba im Tucurrique-Gebiet, steht ein kioskähnlicher Bretterverhau. Ein so genannter argarchemischer Stützpunkt inmitten eines Anbaugebietes, in dem auch für Hipp
zertifizierte Bauern ihre Bananenstauden hegen und pflegen. Die Regale sind voll mit Insektiziden und Herbiziden. Sie tragen Namen wie "Vydate 24 SL" (gegen Nematoden) oder "Batella 35,6 SL" (ein Pflanzenschutzmittel von Bayer). Gefragt, ob auch die hiesigen Bio-Bananen-Bauern zu seinen Kunden zählen, antwortet der Mann am Tresen: "Nur die Dummen kaufen erst, wenn Pilze oder Würmer ihnen die Ernte vermasselt haben. Die Schlauen kaufen vorher."
Zu den Schlauen gehören Javier und Juan, die in Tucurrique eine kleine Firma betreiben. Sie berichten, dass sie zur Zeit "Bio-Bananen" an Trobanex liefern. Sie rühren acht Schnapsgläser "Bioquat" in einen 20-Liter-Spritzbehälter, ziehen sich Handschuhe an, schnallen sich ein Atemschutzgerät vor Mund und Nase und spritzen Unkrautvernichter auf die Erde unter einer Bananenstaude. Sie wissen, dass sie das nicht dürfen. Aber es fällt ja nicht auf. Außer dem Trobanex-Lkw, der sich alle zwei Wochen den Berg hinaufquält, verirrt sich kaum einer hierher. Sie sagen, dass sie von 1995 bis 1998 und dann wieder ab 2000 an Trobanex "Bio-Bananen" geliefert haben. Ihren Prüfer Gutiérrez hätten sie in dieser Zeit dreimal gesehen.
"Richtige Bio-Bananen, wie Ihr in Deutschland sie euch vorstellt, liefern vielleicht die Bribri-Indianer unten in Talamanca ab", erklärt Luis Terrano. Der 45-jährige war von 1996 bis 2000 Aufkäufer bei Trobanex und möchte aus Furcht vor Repressalien nicht mit richtigem Namen genannt werden. "Im Reservat stehen die Stauden noch mitten im Dschungel. Und die meisten Indios haben kein Geld übrig für Dünger.
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Hier um Tucurrique gibt es viele Kleinbauern. Die sind anders. Für die bedeutet "bio", dass die Banane gesund und die Staude schön schwer ist. Und das wird sie nur, wenn sie Medizin bekommt. Nicht zu viel, sonst findet Hipp im Labor noch Rückstände, und die Bauern verlieren ihren besten Abnehmer. Die meisten Produzenten spritzen deshalb nur alle drei Monate. Das gute Geschäft mit Trobanex wollen sie nicht riskieren, denn die Hipp-Firma, so Trobanex-Chef Graf Beissel, zahlt "mehr als die anderen. Wir zahlen 32, die Konkurrenz 25 Colónes pro Kilo".
Manchmal wird jedoch zu viel gespritzt. Beissel berichtet, es sei schon Ware aufgefallen, die Rückstände von verbotenen Mitteln enthielt. Ein Container voll Bananenmus kam sogar bis Deutschland durch. Erst im Hipp-Labor in Pfaffenhofen fiel das Bananenmus auf und wurde prompt wieder nach Costa Rica zurückgeschickt. Ein gutes Zeichen, dass wenigstens die chemische Kontrolle in Pfaffenhofen funktioniert. Eine Garantie gibt Hipp mit Sicherheit zu Recht: Egal, ob die Bananen "Bio" sind oder nicht, gesundheitlich bedenkliche Rückstände sind noch in keinem Glas gefunden worden.

Wusste Luis etwas vom Bio-Schwindel, als er noch bei über 300 Fincas und Plantagen aufkaufte? "Natürlich." Hätte er die Schummel-Bauern nicht rauswerfen müssen? "Theoretisch ja. Doch von Trobanex hieß es immer nur: Wo bleiben die Bananen? Wir brauchen mehr Bananen! Der damalige Trobanex-Geschäftsführer
Carlos Sabarío hat mir sogar gedroht: Bring Bananen oder du fliegst. Ich wurde nach Kilos bezahlt. Als ich ihm doch mal etwas meldete, hat Carlos gar nicht reagiert. Das war ihm egal." Auch das ist wohl einer der Gründe, warum Trobanex den Aufkauf von "Bio-Bananen" von 1994 bis 2000 um etwa das Zehnfache steigern konnte. Dem Trobanex-Geschäftsführer in dieser Zeit, Saborío, war nach Aussage von Bauern und Transporteuren vor allem wichtig, dass die Lastwagen voll waren. Konnten die zertifizierten Produzenten ihr Abgabelimit nicht aussschöpfen, warfen sie auf die Trucks auch Früchte von nicht zertifizierten Kleinbauern aus der Nachbarschaft, sagt Luis.

Auch heute, wo Luis nicht mehr für Trobanex arbeitet, hat sich nach seinem Wissen "nicht viel geändert. Ich habe noch engen Kontakt zu 22 Biobauern aus der Gegend. Die geben alle 14 Tage rund 8000 Kilo an Trobanex ab". Wie viele von denen produzieren korrekt? "Vier, vielleicht fünf. Die anderen wollen ihre Ernte nicht gefährden. Also bekämpfen sie Schädlinge und Unkraut mit Chemie. Selbst wenn man wirklich wollte: Diese Masse an Produzenten, von denen viele in entlegenen Gegenden leben, kann man nicht unter Kontrolle halten."
Trotzdem expandierte Trobanex gewaltig. Über 2000 "Bio-Bananen"-Bauern belieferten Trobanex Ende der 90er. Von 1994 bis 2000 steigerte Trobanex den Bananenaufkauf von 550 auf 6000 Tonnen. Allein in der Provinz Bordón kaufte Trobanex 1998 mit 1600
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Tonnen sechszehn mal mehr als noch 1994 (100 Tonnen). Dass bei derart schnellem Wachstum schon mal die versprochenen Standards vergessen werden können, zeigt das Beispiel eines Mannes, der sich "Bam Bam" nennt. Er ist Verwalter auf der Plantage josé Delia, genannt "der Italiener", bei Bonifacio in der Region Bordón. Die Plantage ist 15 Hektar groß, gepflegt und ertragreich. Aber sie liegt unmittelbar neben einem konventionellen Anbaugebiet von Chiquita. Nur ein kleines Bächlein und eine Straße trennen Delias Plantage von dem großen Warnschild am Rande der Nachbarplantage von Chiquita. In großen Lettern steht dort: "Achtung. Es wird darauf hingewiesen, dass in dieser Zone gelegentlich Berieselungen aus der Luft vorgenommen werden. Diese werden am frühen Morgen oder am Ende des Nachmittags durchgeführt. Das Betreten der Fincas während der Sprüheinsätze der Flugzeuge ist verboten." Kein idealer Ort für biologisch-ökologischen Anbau. Wenn die Flugzeuge ihr Gift versprühen, ist es nur eine Frage der Zeit, wann der Wind die Pestizide über die Straße trägt. BGS-Grosch wollte Delia eigentlich nicht produzieren lassen, aber Saborío war das egal. Aus Unterlagen, die Trobanex dem costaricanischen Agrarministerium übermittelt hat, geht hervor, dass die Plantage von Delia (Kennnummer 1.34.131) mindestens von 1995 bis 1999 "Bio-Bananen" mit BCS-Zertifikat an Trobanex geliefert hat.
Und Mario Castro, bis zu einem Unfall vor einem halben Jahr Generalkoordinator bei Trobanex, bestätigt: "Wir haben alle 14 Tage
rund 3800 Kilo vom Italiener gekauft." Seit vergangenem Dezember sei Delia, nach fünf Jahren, disqualifiziert worden. Castros Aussage wird von Trobanex-Chef Beissel gegenüber MAX bezweifelt: "Haben Sie den Mann gesehen? Der ist völlig verwirrt!"

Ein weiteres Indiz dafür, dass beim Einkauf von "Bio-Bananen" in Costa Rica nicht alles so gelaufen ist, wie es sich Claus Hipp vorgestellt hat, ist die Tatsache, dass Hipp vergangenes Jahr den wichtigsten Mann für das Bio-Projekt in Costa Rica fristlos feuerte: Argraringeneur Carlos Saborío, 42. Der Mann, der Trobanex von der ersten Ernte einer Hipp-"Bio-Banane" n Costa Rica im Oktober 1994 bis Februar 2000 steuerte. Der Mann, der für Hipp das ganze Kontrollsystem in Costa Rica aufbaute, hat sich als Betrüger entpuppt. Hipp hat mehrere Anzeigen gegen ihn erstattet. Mario Beissel, der neue Mann bei Trobanex: "Er hat höhere Preise abgerechnet, als er bezahlt hat. Er hat eine eigene Firma gegründet und darüber bei den Indios eingekauft und dann an Trobanex verkauft. Hier im Hause wusste niemand etwas davon. Er hat geschickt verschleiert, dass er über diese Firma alle Bananen gekauft hat. Er hat sich mindestens 560 000 Dollar in die eigene Tasche gesteckt, und das ist nur ein Teil des Gesamtschadens." Und BCS-Geschäftsführer Peter Grosch, der Kontrolleur, empört noch: "Er war an einer Düngemittelfabrik beteiligt und hat an die Bauern Düngemittel verkauft." Seit Februar 2000 versucht nun der neue Trobanex-Geschäftsführer Graf Beissel,
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das Chaos zu beseitigen, das "Saborío und seine Clique" angerichtet haben. 700 von einst 2000 "Bio-Bananen"-Bauern hat er von der Lieferliste schon gestrichen. Die Früchte, die sie einst geliefert haben, sind längst gegessen. Beissel hat festgestellt: " Der Tico, also der Costaricaner, neigt zur Unredlichkeit."
Und auf noch etwas ist Beissel stolz: Die Größe der Plantagen wird seit vier Monaten mit Hilfe des Satelliten-Navigationssystems GPS extakt vermessen. Bis dahin sahen die Lagepläne aus wie Kinderzeichnungen.
Und Claus Hipp? Will er angesichts der, wie er es nennt, "Kriegssituation" mit dem Mann, dem er einst vertraute, immer noch mit seinem Namen für seine "Bio-Bananen" bürgen? "Ja", sagt er MAX, "denn es gibt niemanden, der mehr tut als wir, und niemanden, der es besser macht als wir." Peter Grosch, der Kontrolleur, der seit 23 Jahren mit Hipp zusammenarbeitet, sagt: "Bio ist nicht das, was sich die Verbraucher vorstellen. Bio ist definiert durch Gesetze."
Mit den MAX-Recherchen konfrontiert, wies Verbraucherministerin Renate Künast ihr Ministerium umgehen an, die Vorwürfe zu überprüfen und bat das für Hipp zuständige bayrische Landwirtschaftsministerium um Klärung. Sollten sich die laschen Kontrollen der Firma Hipp bestätigen, könnte es sein, hieß es im Hause Künast, dass Deutschlands Vorzeige-Öko-Produzent Claus Hipp bangen muss, ob er das neue Öko-Siegel für seine Bananen-Produkte erhält.
Bleibt die Frage, ob es statthaft ist, jahrelang für etwas mit seinem guten Namen zu garantieren, was offensichtlich nicht zu garantieren ist. Bleibt der Verdacht, dass das Label "Bio" Augenwischerei ist und allein dem Zweck dient, Gewinne zu mehren. Mütter glauben gern Siegeln und Stempeln, wenn es um die Gesundheit ihrer Kinder geht. Und zahlen dafür gern mehr.